Ein Hoher Selbst(wert) macht dich Zufrieden!? (Psychologie & Tantraphilosophie)

Ihr Lieben,

heute nähern wir uns der großen Frage: "Was macht dich zufrieden?" Dabei schaue ich mit dir auf psychologische Erkenntnisse und den Wissenschatz der Tantraphilosophie. Wie immer sind dies nur mögliche Annäherungen, die für mich stimmig ineinander greifen. Los Geht's mit der Zufriedenheit!

Zufriedenheit in der Psychologie 

Headey und Wearing stellten 1989 ein Regelkreismodell des Wohlbefindens auf, welches besagt, dass es für unser Wohlbefinden so etwas wie einen stabilen Sollwert gibt. Dieser sei dabei ganz individuell, das heißt:

„mein zufrieden“ ist nicht „dein zufrieden“. 

Regelkreismodell des Wohlbefindens
Regelkreismodell

Fühlen wir uns zufrieden ist der SOLL-Wert ganz nahe. Stellen wir jedoch fest, dass unser aktueller IST-Wert miserabel ist, wollen wir was ändern und streben danach den SOLL-Wert der Zufriedenheit zu erreichen. 

 

Der Psychologe Asendorpf beschreibt: Unmittelbar nach Eintritt einer extrem belastenden Veränderung (z.B. Querschnittslähmung) sinkt das Wohlbefinden stark, ABER bereits nach 3 Wochen überwiegt der alte positive Wert wieder. Von Lotteriegewinnern ist ja auch bekannt, dass ihr Glück nur kurz anhält, und  danach die Lebenszufriedenheit vermehrt abnimmt.

„Ich bin sehr zufrieden und fühle mich pudelwohl in meiner Haut“ ist eine Aussage, die wir sehr selten hören oder - leider auch - selten sagen. Dabei ist doch eigentlich alles super: das Geld stimmt, die Familie ist gesund und alles scheint objektiv perfekt, aber die Zufriedenheit fehlt. Woran liegt das?
 
Nun dieser SOLL-Wert des Sich-Wohlfühlens steht neben objektiv sichtbaren Umständen auch in Beziehung zu unserem Selbstwertgefühl (Korrelation .60), dem Gefühl Kontrolle über sein Leben zu haben sowie zu Extraversion und emotionaler Stabilität (Temperamentseigenschaften).

Auch unsere Werthaltung hat einen Einfluss auf unser Wohlbefinden, so ist die Zufriedenheit in religiösen Ländern höher, wenn deren reliogöse Werte ausgelebt werden (Gebauer et al. 2012).

(Übrigens: wirklich gering ist dagegen in reichen westlichen Ländern der Zusammenhang mit dem monetären Einkommen; in den USA und Europa beträgt die Korrelation nur etwa .10.)

Es sind also vor allem subjektiv gefühlte Werte, die unsere Zufriedenheit bestimmen. 
Allen voran meldet sich da ganz laut der Wert, den du dir selbst gibst: Dein SELBSTWERT

Kannst du deinen Selbst-Wert zufriedenstellen? 

Das Selbst ist aus psychologischer Perspektive vor allem unsere Willens- und Beurteilungszentrale. Es ist der Ort, an dem sich unsere „Ich“-Idee bildet. Wir unterscheiden dabei zwischen Selbstkonzept und Selbstwertgefühl. Das Selbstkonzept sagt uns, wie wir uns selbst wahrnehmen, es ist das gesamte Wissen über unsere Person. Wohingegen das Selbstwertgefühl eben beschreibt, welchen Wert wir dieser Wahrnehmung zuschreiben „Wie wertvoll ist meine Ich-Wahrnehmung in diesem Moment?“

Alles was wir hören, lesen und lernen, das unser Bild von uns Selbst bestätigt, nehmen wir gerne auf. Wir streben danach, dieses Selbstwertgefühl (selbstwertdienlichen) zu erhöhen.

Der Haken liegt im Detail, denn obwohl wir scheinbar alles dafür tun sind viele von uns trotzdem nicht wirklich zufrieden.
Lasst uns tiefer graben! Worauf basiert die Ich-Idee (Selbstkonzept) und was bestimmt, wann wir etwas selbstwertdienlich bewerten? Woher kommen deine Werte? 

Kannst du den Urheber deines Selbstwertes zufriedenstellen? 

Mit Werten und Bildern von uns Selbst ist das so eine Sache, denn in den meisten Fällen kennen wir ihren Urheber kaum: das soziale Umfeld und der soziale Vergleich (Gesellschaft, Familie usw.), Bildung, Medien, vergangenen Ereignissen.
Aus spiritueller Sicht können wir auch aus früheren Erfahrungen Werte mit in unser Leben hineintragen. Auch das halte ich nicht für ausgeschlossen. Unser Selbstwert ist keine Ausnahme und genauso ein Produkt des Werte-Mix wie andere. 

Psychologisch gesehen kommt hinzu, dass unser Selbstwert situationsbedingt ist.
Auf der Arbeit (Situation1) erfülle ich die Rolle der Kollegin (Rolle1) und den Wert Pflichtbewusstsein (Wert1). Abends mit Freunden in einer Bar (Situation2) bin ich der Witzbold (Rolle2) und strebe eine Lässigkeit (Wert2) an. 
Je nach Situation und Bild von dir Selbst hast du auch ein anderes Selbstwertgefühl oder? 

Schon an dem Beispiel sehen wir: Der Selbstwert ist ein Fähnchen im Wind.  

Selbstbildentstehung

Übung: Schreibe deine Liste: Frage dich: Woran sind deine Werte gebunden? 

Frag Dich: Ist es möglich, dein ideales Selbstbild zu erreichen? Klammern wir uns an eine llusion, die uns unzufrieden macht? 

Tantraphilosophie 

Illusionen der Tantraphilosophie 

Illusionen spielen in vielen Weisheitstraditionen eine große Rolle und im Tantra nennen wir diese Maja (Sanskrit: Illusion) . 
Die tantrische Yogapraxis verlangt es, dass wir eine Beziehung zur Realität haben und nicht bloß zum Abbild einer Realität werden. 

Statt also diese ganzen Bilder - denn letztlich sind Rollen/Werte und Selbstkonzept nur Bilder - abzubilden, müssen wir nach Innen schauen. Bilder binden uns an deren Herkunft: Dein Selbstbild besteht aus einem Ideal-Aussehen oder der Business-Frau mit Multitaskingfähigkeiten? Dann bindest du dich an das vergängliche Bild einer Konsum- und Leistungsgesellschaft. 

Wir wachsen oft mit der Vorstellung auf, im Wesenskern mangelhaft & unwürdig zu sein. Ähnliche tiefverankerte Glaubenssätze mögen jeden auf seine Weise zu seinen Werten bringen und unser gesellschaftliches Umfeld tut ihr bestes dazu, uns zu suggerieren, dass wir noch mehr „..“ (alles einsetzbar) sein könnten, um wertvoll zu sein. 

Dabei ist das „Sein“ aus tantrischer Sicht und der vieler Weisheitstraditionen an nichts gekoppelt: 

Ich bin wertvoll, weil ich bin. 

Wallis (2011) bezieht sich auf den tantrischen Meister Abhinava Gupta“ welcher sagte, dass du:

"sobald du Yoga praktizierst mit einer Perspektive, aus der du nicht genug bist und etwas repariert werden musst, dann kann dein Yoga seinen endgültigen Zweck nicht erfüllen.[...] Es kann nur so weit gehen, dass es den begrenzten Zweck erfüllt, der von deinem begrenzten Ich-Geist konzipiert wurde. Wenn du jedoch die Praxis des Yoga mit der richtigen Sichtweise auf dich selbst übernimmst, dass du bereits ein vollkommener und ganzer Ausdruck des [Ganzen] bist, dann machst du Yoga, um zu erkennen, das alles bereits da ist. Die Praxis bekommt eine Kraft, die dich Selbst Wiedererkennen lässt." 

Durch eine Yogapraxis, die von innen nach außen wirkt, kommen wir dazu, Frieden mit unserem Selbst zu schließen. Denn was in der vorgestellten Psychologie untergeht, ist, dass wir durch die nach Introperspektive Autopilot-Wertschaltungen bewusst werden lassen. 

Eine Intention von innen entgegen setzen

Welche Intention kannst du in deiner Yogapraxis einsetzten, damit diese von innen nach außen wirkt? In ihrem Buch „Yoga des Herzens“ nennt Christina Sell z.B. die Intention „Ich möchte Frieden mit meinen Körper schließen.“, es könnte aber auch sein „Ich möchte strahlen, weil ich bin“.
Es ist nie leicht, die Illusionen aller Bilder von uns Selbst zu brechen ABER ich merke immer mehr wie sehr es notwendig ist für meine Zufriedenheit.

Erinnere dich: Du hast von dir aus genau den richtigen & für die Welt notwendigen Wert. 

Zusammengedacht: Psychologie & Tantraphilosophie 

Nach der tantrischen Yogaphilosophie nehmen wir alle Aspekte des Lebens und somit auch alle vermeintlichen äußeren „Mangel“ an, um in Verbindung zu treten und die Freude des bewussten Seins im Herzen zu entdecken. 

Die Herzlichkeit ist der stabile innerer Wert, der aus sich heraus immer da ist, weil wir existieren. Ich finde, dass wir auf diesem unseren Selbstwert aufbauen sollten. Anstatt dich affektiv Situationen und Bildern anzupassen, gilt es dieser einen Intention zu folgen. Das SOLL-Wohlbefinden ist mit einem Wert definiert, der aus dir selbst heraus da ist. Dein Regelkreis wird feststellen, dass du öfter im SOLL-Wert bist. Und aus vollem Herzen sagen wir: „Ich fühle mich pudelwohl in meiner Haut.“ 
 

Namasté

Nadine 

 

Zur Inspirationsvertiefung:

Asendorpf, J. B. (2009). Persönlichkeitspsychologie (Vol. 2). Heidelberg: Springer.

Christopher D. Wallis (2011). Tantra Illuminated: The Philosophy, History, and Practice of a Timeless Tradition.

Christina Sell (2013). Yoga des Herzens. Knaur MensSana TB.

Sedikides, C., & Gebauer, J. E. (2013). Religion and the self. Religion, personality, and social behavior.

Stahlberg, D., Osnabrügge, G. & Frey, D. (1985). Die Theorie des Selbstwertschutzes und der Selbstwerterhöhung. In Frey, D. & Irle, M. (Hrsg.), Theorien der Sozialpsychologie. Bern: Huber.