Empathie 2: Empathie & Intuition (Wissenschaft & Tantraphilosophie) 

Sind wir egoistisch oder atruistisch? Können Empathie und Intuition zusammen hängen? Diese Debatte hat in den letzten Jahren in der Wissenschaft an Fahrt zugenommen. Sie steht für die Frage, ob wir Menschen dazu neigen, alles „zu meinen Vorteil“ zu machen oder, ob selbstloses Handeln in uns verankert ist. Ist der „Mensch des Menschen Wolf“ (Thomas Hobbes)? 

Wie im ersten Teil zu Empathie beschrieben, fanden Neurowissenschaftler heraus, dass in unserem Gehirn die gleichen Schmerz-Areale aktiviert sind, wenn wir das Leiden anderer (z.B. Partner) sehen, als würden wir selber Schmerzen haben. Daher rühren uns manche Filme auch zu Tränen.  Was 2500 Jahre Yoga und kontemplative Praxis lehren kommt an die Oberfläche: 
Wir spüren wirklich mit. Wir sind emotional verbunden. 

In Empathie 1 ging es darum, wie du Empathie durch Meditation trainieren kannst - vielleicht als Vorsatz fürs neue Jahr. Nun wollen wir staunen welche Kraft Empathie mitbringen kann.

Empathie-Meditation & dein Gehirn 

Davidson ist Neurowissenschaftler und erkannte, dass bereits 2 Wochen Empathie-Meditation reichen, um das Gehirn strukturell und funktionell zu ändern. Das Gehirn ist veränderbar: 

„Wenn du eine Stunde lang TV siehst, wird dein Gehirn geprägt. Wie wir wissen, dass nur 1 1/2 h Videospielen ausreichen, um strukturelle Veränderungen hervorzurufen “ (Davidson: 2016)

Wenn wir also wie im Yoga (Kontemplative Praxis) dazu kommen, unseren Geist zu beobachten und Emotionen zu erkennen, können wir ebenfalls das Gehirn sturkturell und funktionell beeinflussen.  
Ist es dann nicht nur ein kleiner Schritt von „ändert euren Geist“ zu „verändert die Welt“? 

Verbreitung von Empathie & Altruismus 

Matthieu Ricard plädiert für eine kleine Altruistische Revolution: Selbstloses Handeln hat das Potenzial, sich subtil zu verbreiten. 
Wie meine ich das?

Eines der größten Gegenargumente zu selbstlosen d.h. altruistischen Handeln lautet:

„Die helfen dem nur, damit sie sich selbst besser fühlen“ oder „damit andere das sehen und ihnen Anerkennung schenken.“ 

Das Katastrophen-Forschungsinsitut (Delaware, USA) allerdings fand in jahrelanger Recherche von etlichen katastrophalen Ereignissen heraus, dass Menschen nach Katastrophen nicht In hemmungslosen Egoismus verfallen. 
Ein Beispiel: wenn bei unseren Nachbarn das Haus anfängt zu brennen, würden wir dann - auch wenn wir keinen großen Kontakt zu denen haben - einfach davon laufen? Oder schlimmer noch, sogar plündern? NEIN.
Es zeigte sich, dass Hilfsbereitschaft, Empathie und daraus motiviert selbstloses Handeln in solcher Situation die Oberhand nimmt. 

Das Egoismus-Altruismus Paradox  

Seppala (Stanford Universität) formulierte das Paradox wie folgt: Manchmal helfen wir anderen nicht, weil wir glauben Egoismus sei normal auf dieser Welt. Wir denken, andere könnten denken, wir helfen aus Eigennutz. ABER gibt man den Leuten kaum Zeit zum Nachdenken, entscheiden sie sich zum helfen.

Erkenntnis: Die spontane Geste ist Empathie und selbstloses Handeln (Altruismus). 

Empathie: soziale Ansteckung

Christakes (Yale Universität) führte ein Experiment durch, in dem eine Person willkürlich mit einer Gruppe Fremder kooperieren musste und dann mit einer neuen Gruppe usw. Das ganze 6 mal. Ist altruistisches Verhalten über solche Soziale Netzwerke verbreitbar?
Es zeigte sich, Höflichkeit breitet sich innerhalb eines Systemes aus: Der Umgang der vierten mit der fünften Person hing davon ab, wie die erste mit der zweiten umging, obwohl diese sich nicht getroffen hatten. Unser Verhalten hat weitreichende Auswirkungen.

Erkenntnis: wie ich mit meinen Freunden umgehe, hat Einfluss darauf wie diese mit ihren umgehen.

Die Forscher bezeichnen dies als soziale Ansteckung ähnlich einer biologischen Ansteckung, wenn wir Schnupfen haben. Es wirken z.B. viele Filme im Kino lustiger als zu Hause, da hier das Lachen des Publikums ansteckend wirkt. (Stangl, 2019).

Ich helfe nicht nur anderen und mir Selbst (wie im Empathie 1 beschrieben), sondern löse eine Kettenreaktion aus. Mein emphatisches Gefühl von Wertschätzung, dass ich in mir kultiviert habe, bringt mich zu selbstlosen Handeln (z.B. helfe einer wsoziale Empathieeinenden Person). Das wirkt auf Beobachter, die dann ebenfalls diese positiven Emotionen von Empathie ausstrahlen.

 

Tantraphilosophie 

In den östlichen Philosophien, wie der Tantraphilosophie, wird davon ausgegangen, dass wir alle miteinander verbunden sind und alles Bewusstsein ist. 

Aus dieser Sichtweise heraus lässt sich erklären, warum wir impulsiv selbstlos handeln (z.B. im Falle des Hausbrandes). 

Erkenntnis: Wenn wir alle miteinander verbunden sind, handele ich Intuitiv in diesem Sinne. 

Diese Intelligenz wird in der Tantraphilosophie als „pratibhã“ bezeichnet wird. 

Pratibhā & Intuition

In der „westliche Welt“ neigen wir dazu, intuitive Einsichten als Teil des Geistes zu betrachten. In der yogischen (tantraphilosophischen) Sicht sind diese Teil einer angeborenen Intelligenz, welche das individuelle verkörperte Bewusstsein zum Ausdruck bringt (pratibhā). 
Pratibhā, auch bekannt als Parā Vāk (das "Höchste Wort“), führt zu spontanen Erkenntnissen, die sich in Herkunft und Wirkung von den gewöhnlichen Gedanken des konditionierten Geistes völlig unterscheiden. (Wallis: 2013)

In der Tantraphilosophie sind diese emphatischen selbstlosen Impulse vorkognitiv. Sie drücken unsere angeborene verkörperter Intelligenz aus.

Nur jemand mit einem Buddhi (Fähigkeit zur Unterscheidung), der durch Yoga diesen Prozess bewusst wahrnimmt, kann den Unterschied zwischen reinen Einsichten von pratibhā und den konditionierten Gedanken des gewöhnlichen Geistes genau erkennen. 


Empathie & Tantraphilosophie

Zusammenfassend vermute ich also, dass:

  1. Wir Impulsiv handeln, wenn entweder keine Zeit zum Denken ist oder wenn wir durch z.B. Yoga unserer Intuition Raum geben 
  2. Empathie angeboren ist (Wissenschaft) weil wir alle verbunden, d.h. mit unserem individuellen Bewusstsein, teil eines großen Bewusstseins sind (Tantraphilosophie, Yoga) 
  3. selbstlose Handlungenen dadurch sozial ansteckend wirken

Natürlich spielt hier auch deine individuell Umwelt eine Rolle. Dennoch ist es spannend, einmal im Sinne des Empathie-Tranings auf die Intuition einzugehen.

Praxis-Tipp: 


Entscheide das nächste Mal intuitiv. Wie? Indem du dem folgst, was dein Körper dir in den ersten 2 Sekunden vor einer Entscheidung signalisiert. Emphatisches Lachen

Ich freue mich zu hören, ob es geklappt hat! 

Namasté 
Nadine 


Inspiration zum Weiterstöbern: 

FILMTIPP: Ricard, Davidson, Singer (2016): Die Revolution der Selbstlosen. https://www.amazon.de/Die-Revolution-Selbstlosen-Matthieu-Ricard/dp/B01B6YVZVG/ref=pd_sim_74_1?_encoding=UTF8&pd_rd_i=B01B6YVZVG&pd_rd_r=2720e99e-1453-11e9-8d94-abdc97f28b64&pd_rd_w=YQLdV&pd_rd_wg=Xb5dl&pf_rd_p=3371dd0f-762d-4d8e-8f21-43659c1afaac&pf_rd_r=JXPWJ3F1X4QVEXW75WNK&psc=1&refRID=JXPWJ3F1X4QVEXW75WNK


Stangl, W. (2019). Stichwort: 'soziale Ansteckung'. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
WWW: http://lexikon.stangl.eu/10104/soziale-ansteckung/ 

Christopher Wallis (2013): Tantra Illuminated: The Philosophy, History, and Practice of a Timeless Tradition

Fowler, J. H. and Christakis, N. A. (2010) ‘Cooperative behavior cascades in human social networks’, Proceedings of the National Academy of Sciences, p. 200913149. doi: 10.1073/pnas.0913149107.

(Fowler and Christakis, 2010)