Klarheit: Wie wir Menschen sehen - statt Projektionen.

Ihr Lieben,

ist das fair? 
Ich wende mich heute mit einem Thema an euch, das ein wenig anklingt an die Idee von „Energy flows, where your attention goes.“. So häufig bestimmt aber die Art und Weise wie wir Denken oder Fühlen nicht nur wie wir unser eigenes Umfeld wahrnehmen, sondern auch wie dieses auf uns „antwortet“. 

Die selbsterfüllende Prophezeiung 

Hast du schon einmal etwas von der „Selbsterfüllenden Prophezeiung“ gehört? Dies ist ein Phänomen der Sozialpsychologie und lässt sich am besten anhand eines Beispiels erklären. In einer Studie von Rosenthal & Jacobsen (1971) wurde dies wie folgt dargestellt.

Die Studie: Etliche Grundschüler mussten einen Intelligenztest machen. Das Ergebnis wurde den Lehrern mitgeteilt, in dem einige SchülerInnen als „Aufblüher“ bezeichnet wurden. Der Coup dabei ist, dass diese SchülerInnen im Test nicht wirklich die beste Leistung erbracht hatten, sondern zufällig ausgewählt wurden. Die SchülerInnen unterschieden sich also lediglich dadurch von ihren MitschülerInnen, welches Wissen die Lehrer über sie hatten. Also was im Kopf der Lehrer stattfand. Unbewusst bildete sich die Erwartung „Diese SchülerInnen werden aufblühen“. Die Forscher beobachteten ein Schuljahr lang die Entwicklung der SchülerInnen. Was passierte durch die Erwartung? Das Ergebnis: In allen Klassen hatten die „Aufblüher“ größere Intelligenz-Zuwächse als die übrigen SchülerInnen.

Wir wissen um die Kraft der Intention. In diesem Fall jedoch ist nicht davon auszugehen, dass die Lehrer eine bewusste Intention formulierten und „Aufblüher“ willentlich bevorzugten. Deren Erwartung stoß unbewusste Prozesse an. 

Erkenntnis: Die Erwartungen, die du an eine Person hast, beeinflussen dein Verhalten dieser gegenüber, woraufhin dein Gegenüber sich im Einklang mit der ursprünglichen (dir unterbewussten) Erwartung erfüllt. Deine Erwartung hat sich selbst erfüllt. 
Du kannst dir sicher vorstellen, wie das zu einem endlosen „Teufelskreis“ führen kann. 

Aber welcher Zweck liegt dahinter? Warum haben wir diese gedanklichen Prozesse? 
Wir bedienen uns vorformulierten Schemata, um uns schnell im „Informations-Dschungel“ dieser Welt zurecht zu finden. Ein Schemata zu z.B. einem Namen, Beruf oder Hobby von einer neuen Bekanntschaft gibt uns erste Hinweise, wie wir diese Person einzustufen haben (ist sie für uns eine Gefahr? ein Lehrer? eine Inspiration?) und wie wir dieser begegnen sollten. Das ist bei Gefahr & Gewalt durchaus berechtigt. 

Doch angenommen, wir projektieren jetzt stets unsere Vorstellungen auf andere Personen, woraufhin diese sich wie erwartetet verhalten: Lernen wir unser Umfeld dann jemals wirklich kennen? Ist das fair? 

Herausforderung: Klarheit 

Die Herausforderung, der sich Menschen seit jeher gegenüber gestellt sehen (vor allem im sozialen Miteinander) ist die Frage: Wie erlange ich Klarheit? 
Aktuell sind unsere Sinne oder uns vertrauten Personen nicht mehr die einzigen Informationsquellen derer wir uns bedienen. Wir verlassen uns auf ein unaufhörlich zunehmenden Reichtum an Informationsquellen aller Medien, um Personen einzuordnen. Oft wissen wir gar nicht wie ein Schemata z.B. zu einem Namen seinen Weg in unser Gehirn gefunden hat. Wir hören diesen Namen und haben einfach sofort eine Erwartung an den Namensträger - sein Aussehen oder Verhalten. Die eigentliche Quelle kann eine Sequenz im Fernsehen gewesen sein, eine Romanfigur, ein Lied, der Freund eines Bekannten usw.. 

Yoga & Klarheit 

Ich denke, es ist nicht anmutend zu sagen, dass alle Yogatraditionen sich der „Verbundenheit“ der Dinge bewusst sind. Auf uns bezogen heißt das zunächst einmal, dass unser Körper mit unserem Geist und feineren Bewusstseinsebenen bis hin zu unserer Seele („Essenz“) verbunden ist. Das eine lässt sich gar nicht ohne das andere Denken. Auch wenn wir versuchen, in der Meditation unser Bewusstsein auszudehnen und uns Selbst feiner wahrzunehmen, so brauchen wir doch unseren Körper und Geist dafür. 

Der Schlüssel zur Klarheit liegt in der Verbindung zu uns Selbst. 

Wie wollen wir je Klarheit erlangen, wenn ein Teil von uns unruhig und gestresst ist? Alles ist verbunden: Ist der Geist gestresst, denkt der Körper er muss uns schützen und die Muskeln kommen in „Kampf-Bereitschaft“. Wir sind angespannt. Ist unser Körper verletzt, geschwächt oder krank, dann fällt es uns schwer, unsere Gedanken zur Ruhe zu betten. Hören wir nicht und/oder verbinden uns nicht mit unserer Seele, fühlen wir uns eingeengt. Der Geist ist rastlos und wir haben immer das Gefühl „nicht genug“ zu haben oder zu sein. 

Yoga praktizieren wir mit allen Ebenen. Wir bewegen unseren Körper, beruhigen unsere Gedanken und dadurch, dass wir uns Selbst immer näher kennen lernen, kommen wir dazu, unserem Herzen zu vertrauen. 
Kennst du das Gefühl nach einer Yogaeinheit? Ruhe. Klarheit. Verbundenheit. Eigentlich mit Worten nicht zu beschreiben. 

Stell’ dir einmal vor, du würdest mit diesem Gefühl auf die Menschen in deinem Leben schauen. Du würdest dir erlauben, durchzuatmen, zu dir zu kommen und aus diesem Einheitsgefühl heraus einem neuen Menschen in die Augen schauen. 

„Your vibes speak louder than words“

Wie müssen bewusst die Entscheidung treffen, „bekannte Ufer“ d.h. Schemata hin und wieder fallen zu lassen, um Klarheit im „Informations-Dschungel“, vor allem gegenüber anderen Personen, zu finden. Und wie? 

Klarheit im Alltag

Was machen wir mit diesem Wissen? Hast du einmal diese Klarheit auch körperlich erfahren (das können auch andere Dinge als die Yogapraxis bewirken), kennst du das „Verlangen“ bestimmt, das dich wieder dahin zurück zieht. Der Körper ist eine unglaubliche Eingangstür, um Dinge bis auf die Ebene unseres Unterbewusstseins zu lernen. Damit möchte ich sagen, dass dein Körper einen Platzhalter geschaffen hat, eben für diese Erfahrung von Klarheit. 

Wir haben jetzt ein wenig erkannt, welche Kraft Erwartungen haben. Wir sollten beobachten wie sie uns automatisch reagieren lassen.
Und wir wissen, dass der Zugang zur gefühlten Klarheit uns wirklich immer über den Körper und das bewusste Sein möglich ist. 

Klarheit üben

Im Alltag hilft mir folgendes:

  1. Einatmen: Ich werde mir meiner Präsenz (Körper-Geist-Seele) bewusst.
  2. Ausatmen: Ich löse einengende Schemata & Informationen auf - kläre mein Feld.
  3. Ich gehe mit meinem Bewusstsein an den Ort, an dem ich mich Selbst am klarsten spüre (die körperliche Mitte; das Herz). 
  4. Ich schlage mit dieser Klarheit meine Augen neu auf. 

Frei von Erwartungen, Bewertungen oder Prophezeiungen hilft diese Zentrierung mir sofort, Informationen aus einer Perspektive einzuordnen, die mir Selbst mehr entspricht. 

Jeder von uns, möchte seinen Teil zu dieser Welt beitragen. Das Wissen, wie verzerrt wir uns unsere (soziale) Welt bauen, ist gold wert. Doch der unglaubliche Beitrag ist es, zu Handeln. Klarheit in uns Selbst zu finden und anderen Menschen klar zu begegnen. 

Wir wollen den Menschen spüren und nicht das Bild, das wir von ihm haben. 

Ich bin der Meinung: 
Alles andere, wäre nicht fair. 

Namasté

Nadine 

 

Weiterführende Inspiration: 

Rosenthal, R. & Jacobson, L. (1971). Pygmalion im Unterricht. Lehrererwartungen und Intelligenzentwicklung der Schüler. Weinheim: Verlag Julius Beltz.